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Der Schreiber
Hatschi! Die Prinzessin erwachte mit einem Niesen. Es war dunkel, irgendwann mitten in der Nacht. In ihrer Nase kitzelten die Haare vom Schnuffelchen. Es kletterte bereits zum fünften Mal von einer Seite des Kopfkissens zur anderen, immer über ihr Gesicht. Was war nur los mit ihm? "Ich kann nicht einschlafen" beschwerte sich das Schnuffelchen. "Aber gestern konntest Du auch nicht einschlafen? Irgendwann musst Du doch mal müde werden." wunderte sich die Prinzessin. "Komm, wir gehen zum Zauberer, vielleicht kann er Dir helfen. Ich gehe immer zu ihm, wenn ich mich nicht wohlfühle." Sie nahm das kleine Schnuffelchen auf den Arm und tappte durch das dunkle Schloß hinauf in den Turm des Zauberers. "Zauberer, hilf uns, das Schnuffelchen kann nicht schlafen" bat die Prinzessin und hielt ihm das Schnuffelchen entgegen. "Gut dass Du kommst, mir ist etwas abhanden gekommen, und ich habe einen Verdacht." Mit diesen Worten ging er zu einem Tisch und hielt ein Stück Papier hoch. "Wer von Euch weiss, was da drin war?" "SCHOKOLADE!!!" rief das Schnuffelchen sofort und verriet sich damit. "Genau" anwortete der Zauberer. "Diese Schokolade habe ich von einem Freund aus den Bergen geschickt bekommen. Sie war verzaubert. Er wollte wissen, ob ich den Zauber aufheben kann. Es tauchen in den Bergen in letzter Zeit immer wieder Schokoladenstückchen auf, nach deren Verzehr man nicht mehr einschlafen kann." "Ohhhhhh... und ich habe sie einfach gegessen...." murmelte das Schnuffelchen betreten und blickte schuldbewusst zu Boden. "Ach, daher kommt Schnuffelchens plötzliche Schlaflosigkeit" erkannte die Prinzessin. "Was machen wir denn jetzt?" Der Zauberer runzelte die Stirn und sagte schließlich: "Kommt morgen früh zu mir, wir werden meinen Freund in den Bergen aufsuchen. Gemeinsam finden wir eine Lösung." Nach einer unruhigen Nacht machten sich die Drei auf in die Berge. Ihr Weg führte durch enge Schluchten zu einem tiefblauen See. Auf der anderen Seite des Sees führte ein Weg in den Wald, der hier mit hohen Tannen dicht und düster wirkte. Der Zauberer zeigte links und rechts auf kleine Zeichen und Symbole an den Bäumen. "Seht Ihr? Diese Symbole hat mein Freund an die Bäume gemalt, damit man weiss, dass der Weg zu ihm führt." "Was tut Dein Freund?" wollte die Prinzessin wissen. "Mein Freund ist ein Schreiber" antwortete der Zauberer. "Schreibsel, schreibsel... hihi" kicherte das Schnuffelchen aus der Tasche. "Ja, er ist ein wirklich großer Künstler des geschriebenen Wortes." erklärte der Zauberer weiter. "Ich hoffe, wir können etwas finden, was gegen die Schlaflosigkeit hilft." Der Weg führte bergauf. Während der Wald im Winter Schutz vor den eisigen Winden bot, machte seine angenehme Kühle jetzt im Sommer den anstrengenden Aufstieg erträglich. Als sie den Rand des Waldes erreicht hatten, lag vor ihnen eine Hochebene, an deren Ende ein Haus stand. Von hier aus hatte man eine unbeschreibliche Aussicht auf den blauen See und die Bergwelt rundherum. Kein Wunder, dass der Schreiber so gut war, wenn er sich von dieser Umgebung inspirieren ließ. Kurz bevor sie das Haus erreicht hatten, hielt der Zauberer an. Mit der einen Hand hob er seinen Umhang hoch, mit der anderen machte er eine langsame Bewegung durch die Luft. Daraufhin erhob sich ein Wind, der um das Haus strich und sich an einem Windspiel verfing. Es leutete und bald öffnete sich die Tür. "Mein alter Freund!" freute sich der Mann, der den Dreien entgegentrat. Er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf und seine freundlichen Augen lachten durch runde Brillengläser. "Als ich den Wind hörte wusste ich, dass kannst nur Du sein!" Die beiden alten Männer umarmten sich herzlich, dann stellte der Zauberer die Prinzessin vor und der Schreiber machte einen ehrfürchtigen Diener. Schließlich zeigten sie ihm das Schnuffelchen. Der alte Schreiber war begeistert. "Das ist also ein Schnuffelchen. Ich habe mich so lange danach gesehnt, mal selber eines zu treffen. Ich habe schon viel von Euch gelesen." Das Schnuffelchen drehte sich um und sah verwundert in die Gegend. "Aber ich bin doch allein?!" "Ja, das warst Du aber nicht immer" erklärte der Schreiber. "Ich habe alte Schriften studiert und ich weiss, dass früher Schnuffelchen in allen Täler lebten. Keiner kennt den Grund, warum sie verschwunden sind." "Das können wir ein andermal besprechen. Jetzt muss ich Dir unser Problem erklären. Die Schokolade, die Du mir geschickt hast, wurde versehentlich vom Schnuffelchen aufgefressen..." "...AUFGEGESSEN..." entrüstete sich das Schnuffelchen. Der Zauberer machte eine tiefe Verbeugung und eine ausladende Handbewegung. "Verzeihung. Weggeschlapselt, wenn's recht ist." Während die Prinzessin mit dem Schnuffelchen auf der Terrasse saß und 'Das Schnuffelchen sieht, was keiner sieht' spielten, diskutierten der Schreiber und der Zauberer lange, was man gegen die Schlaflosigkeit tun könnte. Schließlich hatten sie eine Idee. Es musste ein Rezept dagegen geben, dass sich aufschreiben ließ. Weil es jedoch ein magisches Rezept war, musste jedes Wort stimmen. Es konnte nur durch die gemeinsame Konzentration von beiden gefunden werden. Der Schreiber nahm ein neues Blatt Papier und setzte sich an seinen Schreibtisch. Die Feder wurde in das Tintenfaß getaucht und so wartete er nun. Der Zauberer stellte sich hinter ihn und legte seine rechte Hand auf den Kopf des Schreibers, während er sich mit der linken an die eigene Stirn fasste. Dann schlossen beide die Augen. Der Zauberer erzeugte eine mächtige Vision und langsam brachte die Feder ein Wort nach dem anderen zu Papier. Nach wenigen Zeilen war es vollbracht. Auf dem Blatt stand nun die Lösung. Aber wer sollte sie lesen? Der Schreiber deckte das Blatt sofort ab und warnte: "Halt, keiner von Euch darf diese Zeilen lesen! Nur das Schnuffelchen darf sie sehen." Das Schnuffelchen hüpfte auf den Tisch und rief "Herzeigseln!" Der Schreiber gab ihm den Zettel und das Schnuffelchen las, was dort stand. Es erstarrte, setzt sich langsam hin, ihm entglitt das Blatt aus den Fingern, und es fiel sofort in einen tiefen Schlaf. Die Prinzessin wunderte sich nicht schlecht: "Ich dachte, Ihr hättet ein Rezept, das man anrühren und einnehmen muss. Aber das Schnuffelchen schläft ja jetzt schon!" "Genau das war auch beabsichtigt" freute sich der Zauberer. "Wer diesen Zettel liest, wird sofort lange und tief schlafen. Der Zauber ist gebrochen. Wir werden das Schnuffelchen heimtragen müssen. Aber Dich trage ich nicht auch noch. Deswegen darfst Du nicht lesen, was hier steht." Mit diesen Worten faltete er das Papier und steckte es in die Tasche. "Ich werde diese Zeilen aufschreiben und weitergeben, damit die Zauberschokolade keine Wirkung mehr hat." versprach der Schreiber. "Ja, das ist eine gute Idee, aber lies die Zettel nicht aus Versehen!" sagte der Zauberer und zwinkerte seinem Freund vergnügt zu. |